Leistungsdruck in der Schule - und seine Auswirkungen

18.01.2022

Es ist Dezember, und die Klausurenphase ist in vollem Gange. Ein Schüler sitzt an seinem Schreibtisch. Draußen ist es dunkel, seine Familie isst unten im Wohnzimmer. Er hört ihre Stimmen, und immer mal wieder dringt ein Lachen nach oben. Vor ihm liegen Unmengen von Lernzetteln und sein Rücken tut weh. Nun hat er sich doch schon die Zeit genommen und das Abendessen verschoben, doch trotzdem will sein Kopf sich nichts von dem Stoff merken, den er aber unbedingt lernen muss. Er könnte auch genauso gut nichts lernen, es würde das gleiche herauskommen, denkt er. Er hat Angst vor dem nächsten Tag.

Diese Situation könnte auf viele Schüler zutreffen. Es ist eine Folge des Leistungsdruckes, der immer mehr Schüler betrifft. Leistungsdruck, ein Wort, dass in einer Leistungsgesellschaft nur allzu gut bekannt ist. Es wird von Duden als „psychischer Druck durch Zwang zu hoher Leistung“ definiert und lässt sich in fast jedem gesellschaftlichen Kontext finden, auch in der Schule. In diesem Artikel wird der Leistungsdruck in der Schule und seine Auswirkung auf die Schüler unter die Lupe genommen.

Die Schule hat jede/r besucht, oder besucht sie immer noch. Sie ist ein fester Bestandteil eines Lebens, auch wenn es nicht immer so war. Viele Menschen haben die Schulzeit als eine sehr unbeschwerte Zeit erlebt. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass ein Großteil dieser Menschen die Schule schon verlassen haben. Denn der Anteil an Schülern, die unter Leistungsdruck und generell Stress aus der Schule leiden, steigt. Eine Umfrage des deutschen Kinderschutzbundes und des Prosoz-Instituts für Sozialforschung hat ergeben, dass 33 Prozent der Grundschüler Schule als Hauptgrund für Stress und Erschöpfung ansehen. Erschreckende Zahlen und es wird nicht besser. Eine andere Umfrage des Forsa-Instituts für das Nachhilfeinstitut Studienkreis mit Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren ergab, dass 72 Prozent sich mindestens ein Mal pro Woche von der Schule gestresst fühlen.

Das hat mehrere Gründe: Zum einen wird heutzutage ein immer besserer Schulabschluss verlangt. Viele Schüler oder ihre Eltern haben Angst, ohne ein Abitur keinen guten Job zu bekommen. Auch verlieren die anderen Abschlüsse immer mehr an Wert. Die bundesweite Forsa Umfrage im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis hat ergeben, dass sich 63 Prozent der befragten Schüler/innen (Mehrfachnennung möglich) durch ihre hohen Ansprüche an sich selbst gestresst fühlen. Die zu erbringenden Leistungen werden also nicht schwieriger, sondern es werden bessere Leistungen erwartet. Zum anderen stressen Hausaufgaben, Angst vor Noten und Druck von Lehrern und Eltern. Zu beachten ist auch die Individualität der Schüler/innen. Der Schlaf ist sehr wichtig und dort gibt es zum Beispiel genetisch veranlagte Eulentypen, für die es viel schwieriger ist, früh am Morgen in der Schule aufmerksam zuzuhören und mitzumachen, als für Lerchentypen.

Doch was sind die Folgen von permanentem Stress und Leistungsdruck? Die meisten betroffenen Schüler erleben Lernblockaden und ihre psychische Gesundheit verschlechtert sich bis hin zu psychischen Erkrankungen. Körperliche Anzeichen können Kopf- oder Bauchschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafstörungen sein. Nach einer Auswertung der Versichertendaten der KKH (Kaufmännische Krankenkasse) steigt die Anzahl der psychisch erkrankten Schüler deutlich. 2017 litten rund 8.300 sechs- bis 18-Jährige an Anpassungsstörungen (depressive Reaktionen aufgrund körperlicher oder seelischer Belastungen, ausgelöst durch etwa hohen Leistungsdruck oder Mobbing). Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH ist Konkurrenz- bzw. Leistungsdruck bei Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren der mit Abstand größte Stressfaktor. Außerdem gab es in der Altersgruppe der 13- bis 18-Jährigen einen 119-prozentigen Anstieg der Depressionen, und einen 114-prozentigen Anstieg der Burnout Fälle von 2007 auf 2017.

Experten sind der Meinung, dass Kinder anfälliger für Depressionen und Angsterkrankungen sind. Das wird damit begründet, dass Ängste bei Kindern aus evolutionstheoretischer Perspektive einen natürlichen Hintergrund haben. Man konnte zum Beispiel belegen, dass Lernprozesse, die bei Angststörungen eine Rolle spielen, bei Kindern stärker ausgeprägt sind. Außerdem begünstigt die Pubertät bestimmte psychische Störungen. Auch die letzten Corona Jahre haben dazu geführt, dass die Anzahl psychisch Erkrankter gestiegen ist. „Seit Pandemie-Beginn haben psychische Störungen und Einweisungen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie spürbar zugenommen.“, so Thomas Fischbach, Präsident des Verbands der Kinder- und Jugendärzte.

Sollte Eltern oder Schülern auffallen, dass diese Symptome über einen langen Zeitraum auftreten, und es im Alltag zu Einschränkungen kommt, muss dies zuallererst kommuniziert werden. Es sollte nach Lösungen gesucht werden, wie die Belastung gesenkt werden kann. Außerdem sollten Therapieangebote und in besonders schweren Fällen Fachärzte aufgesucht werden.

Ein weiterer Versuch, um gegen Leistungsdruck vorzugehen sind alternative Schulsysteme, zum Beispiel die Max-Brauer-Schule in Hamburg. Sie verzichtet in Klasse 1 bis 8 vollständig auf Noten. Die Kinder bekommen mündliches oder schriftliches Feedback. Das System wird von Lehrkräften, Schülern und Eltern befürwortet. Auch verschiedene Bildungswissenschaftler setzten sich für individualisierte Leistungsbeurteilung ohne Noten ein. 2016 hat allerdings eine Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov herausgefunden, dass die Mehrheit der Deutschen Noten für sinnvoll hält. Außerdem kann das System wegen Lehrermangel nicht großflächig durchgesetzt werden.

Auch in einer Leistungsgesellschaft ist es wichtig, sich selbst vor eine zu erbringende Leistung zu stellen. Eine Auszeit und auch Langeweile sind wichtig! Sie können die Leistung am Ende sogar verbessern. Zu viel Druck kann sich auch schnell negativ auf die Leistung auswirken. Aber vor allem wirkt sich zu viel Druck negativ auf die Psyche der Person aus.

Lola Gahm

Quellen:

• https://www.kkh.de/content/dam/kkh/presse/dokumente/endstation-depression-wenn-schuelern-alles-zu-viel-wird.pdf

• https://www.scoyo.de/magazin/schule/leistungsdruck-bei-kindern-schule-als-stressfaktor/^

• https://www.studienkreis.de/infothek/journal/schulstress/

• https://deutsches-schulportal.de/unterricht/schule-ohne-noten-neue-wege-der-leistungsbeurteilung/

• https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-pandemie-dak-studie-jugendliche-depression-100.html

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