Interview über Ecuador und ecuadorianische Kultur

22.02.2022

Passend zu unserem Motto im Februar, „Genre: World“, habe ich mit meiner Tante Monika gesprochen, die inzwischen seit über 30 Jahren in Ecuador lebt und habe sie über ecuadorianische Kultur und ihre Erfahrungen befragt. Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Gesprächs.


Hallo Moni. Erstmal freu ich mich, dass dieses Gespräch zeitlich geklappt hat (zum Zeitpunkt des Interviews war es hier in Deutschland 16 Uhr und in Ecuador 10 Uhr). Du lebst ja inzwischen schon seit über 30 Jahren in Ecuador, aber warum bist du denn damals überhaupt nach Ecuador gegangen?

Tatsächlich waren es gestern genau 31 Jahre, die ich jetzt schon hier bin. Ich wollte eigentlich 1991 einfach nur für ein freiwilliges Jahr nach Ecuador gehen und dann habe ich nach 6 Monaten gemerkt: „Jetzt hast du noch 6 Monate Zeit, was machst du denn in diesen 6 Monaten? Was kannst du machen, dass auch etwas bleibt?“ Und dann dachte ich, ich lasse es jetzt einfach mal offen, ohne mich zeitlich zu begrenzen und bin dann das erste Mal erst nach 2 1/2 Jahren wieder nach Deutschland gegangen. Große soziale Projekt kann man in einem Jahr einfach nicht hochziehen. Und dann 1994 habe ich mein erstes Pflegekind aufgenommen und dann war es sowieso klar, dass ich bleibe. So hat sich das dann eben entwickelt.


Du hast gerade schon soziale Projekte erwähnt, was sind das denn für welche?

Das Wichtigste ist unsere Ambulanz, das kannst du dir wie ein ambulantes Sprechzimmer vorstellen. Die ist von Montag bis Samstag geöffnet, es gibt dann eine Allgemeinsprechstunde und verschiedene Fachärzte, die nach Bedarf kommen. Wir haben auch die Möglichkeit, Ultraschall zu machen und EKG zu schreiben. Aus Platzgründen haben wir kein eigenes Labor, aber wir können sozusagen eins „bestellen“, das kommt dann aus der Stadt für einen Tag, nimmt dann Blutproben ab und nimmt die mit. Diese Möglichkeiten gab es hier früher einfach nicht.


Was hat dich am Anfang am meisten an Ecuador überrascht?

Ich kann mich noch genau erinnern, als ich hier angekommen bin, bin ich zuerst nach Esmeraldas gegangen. Bevor ich geflogen bin, wusste ich gar nicht, ob ich in das Projekt in Manglaralto oder in das in Esmeraldas zu den Combonis gehen wollte. Ein Bekannter von mir hat mich dann in Quito abgeholt und erst für ein paar Tage nach Esmeraldas mitgenommen. Und das ist schon ein absolut heftiger Einstieg für jemanden, der aus Europa kommt. Auf der Strecke vom Flughafen durch die Stadt war es sehr dreckig und man konnte schon Leute sehen, die im Müll gekramt haben. Auch weiter draußen war es von der Hygiene sehr schlecht, auch in der Küche und beim Essen. In Manglaralto war es dann etwas besser, aber teilweise macht mir das heute immer noch zu schaffen. Aber das stört hier irgendwie niemanden.


Was stört dich denn an Ecuador?

Was mir echt zu schaffen gemacht hat und es immer noch tut, ist die Unpünktlichkeit. Man weiß eigentlich genau, dass eine Besprechung nie zu dem Zeitpunkt anfängt, der vorher ausgemacht wurde. Aber trotzdem kann ich es nicht lassen, pünktlich zu sein. Neulich abends gab es eine Dorfversammlung. Die Bekannte, die mir Bescheid gesagt hat, sagte zu mir, die wäre um 8. Ich bin dann Punkt 8 dort gewesen und es waren schon relativ viele Leute da und ich habe mich deswegen schon gewundert. Dann sagte meine Bekannt aber zu mir, dass die Versammlung eigentlich um 7 anfangen sollte und sie mir einfach eine spätere Uhrzeit gesagt hat. Letztendlich hat sie dann erst um halb 9 angefangen. Aber da hat sich niemand beschwert, alle haben sich einfach unterhalten und gewartet. Es stört sich einfach niemand dran, wenn man zu spät kommt. Ich kann dir sagen, wenn ein Kindergeburtstag gefeiert wird, heißt es, er fängt um 4 Uhr nachmittags an und ich kann dir garantieren: Du gehst um 6 hin und es ist noch niemand da.


Und was gefällt dir im Gegensatz an Ecuador und auch an den Menschen?

Das ganze Land ist sehr vielseitig, es gibt geographisch ja vier komplett verschiedene Kulturen, quasi vier verschiedene Länder. An der Küste ist die Landschaft und die Mentalität ganz anders als im Hochland, da leben überwiegend Indígenas, also Ureinwohner. Im Urwald ist es wieder anders, da gibt es ganz andere Stämme und auch Sprachen. Es gibt ja in ganz Ecuador ungefähr 14 verschiedene Sprachen und Dialekte, wobei Spanisch und Quechua natürlich die Hauptsprachen sind. Und Galapagos ist wieder anders. Natürlich ist es auch Küste, aber es ist trotzdem eine komplett andere Region. Ecuador ist einfach ein unfassbar faszinierendes Land.

Und die Leute haben einfach ein viel gelasseneren Lebensstil als wir. Wenn ein Termin für heute ausgemacht wird und es wird dann nichts, dann stört sich da auch niemand dran. Natürlich kann das für die Entwicklung eines Landes sehr nachteilig sein, aber die Leute hier sehen das nicht so.

Es gibt einfach viele schöne Sachen. Schon allein die Tatsache, dass man einfach mal an einem Abend an den Strand gehen kann und den Sonnenuntergang genießen kann. Von hier aus ist der Strand nicht mal 150 m weg und dieses Ambiente trägt auch zum Wohlbefinden bei. Das Hochland hat aber auch seine Reize.

Natürlich muss ich sagen, dass ich jetzt auch in den ganzen 31 Jahren nur an diesem Ort war. Erst jetzt, seitdem ich seit ca. 1 ½ Jahren Quechua lerne, bekomme ich auch die ganzen Philosophien aus dieser Kultur mit. Das hilft dann auch, einen anderen Blick aufs Land zu kriegen, wenn man die Geschichte und die Traditionen kennt und man kann auch viele Reaktionen der Indígenas verstehen, das finde ich super interessant.


Soweit ich weiß, konntest du bevor du nach Ecuador gegangen bist, überhaupt kein Spanisch. Wie war das denn für dich?

Die letzten Wochen, bevor ich geflogen habe ich tatsächlich noch einen Volkshochschulkurs gemacht, da ich da aber zeitlich schon so eingespannt war, habe ich nicht alle Stunden besucht. Am Anfang konnte ich nur sagen: „Hola. Me Ilamo Monika“, dass ich aus Deutschland komme und wie alt ich bin. Das war am Anfang mega schwierig, weil man sich auch gar nicht einbringen konnte, das habe ich ganz extrem in den ersten Wochen gemerkt. Als ich dann nach Manglaralto kam, waren dort in der Zeit viele Freiwillige aus der Schweiz und aus Deutschland und das war dann ganz schlecht zum Spanisch lernen, weil du ja mit denen Deutsch reden konntest. Was mir dann viel genutzt hat, war, dass mich einer der Freiwilligen, ein Ecuadorianer, jeden Tag aus der Zeitung hat vorlesen lassen. Ich hatte zwar keinen Schimmer, was ich da gelesen habe, aber ich habe dadurch die Aussprache gelernt und sollte die Texte dann auch übersetzen, wodurch ich neue Wörter gelernt habe. Nach 6 Monaten konnte ich mich dann sprachlich ganz gut durchsetzen. Generell wird das Spanisch hier an der Küste aber sehr schlampig geredet, da werden viele Konsonanten verschluckt oder weggelassen. Das beste Spanisch spricht man in einer Stadt weiter südlich, die heißt Loja. Wenn man Spanisch lernen will, sollte man dort hingehen. Man kann auch immer hören, wenn jemand z.B. aus Cuenca ist, die haben eine Art melodischen Akzent.


Was gefällt dir denn am Spanischen, was man im Deutsch nicht hat und was fehlt dir im Spanischen im Vergleich zum Deutschen?

Was mir vielleicht aus der deutschen Sprache fehlt, sind die Schimpfwörter, da rutscht mir dann schon manchmal etwas Deutsches raus. Aber die spanische Sprache ist viel emotionaler, man kann sich irgendwie freier über Emotionen ausdrücken. Hier wird alles „verblümelt“ und „verschleimt“, nicht so direkt wie im Deutschen.


Nun zu dem Land Ecuador an sich: Wie ist der Lebensstandard in Ecuador? Gibt es auch eine Schere zwischen Arm und Reich?

Also, die Schere ist viel größer als in Deutschland. Es gibt natürlich eine Mittelschicht, aber die ist eher klein, es gibt eben extrem Arme und extrem Reiche. Wenn ich auf den Markt gehe, dann kaufe ich paar Pfund Kartoffeln und so etwas. Aber dann stehen neben mir Leute, die kaufen eben wirklich ein, was sie fürs nächste Essen brauchen: 2 Kartoffeln, eine Zwiebel, usw. Dann wird morgens eingekauft und nachmittags nochmal, wirkliche Reserven haben da viele Familien nicht. Ich spreche jetzt ganz konkret von der Region hier, die ist ja eine der ärmsten Regionen des Landes. Teilweise kommen auch Leute hier in die Apotheke, die sich die Medikamente nicht leisten können. Dann versuchen wir eben, mit den Leuten eine Lösung zu finden, dass sie z.B. das Geld später bringen oder dass wir etwas dazugeben. Der Mindestlohn ist hier gerade bei 440 Dollar, aber die Lebenshaltungskosten sind eben extrem hoch, da wir ja seit 2000 den Dollar haben und das macht eben alles noch teurer als vorher. Die Grundmenge an Geld, die man braucht, um eine Familie zu ernähren, der „Canasta familiar“, wie er hier genannt wird, liegt bei ungefähr 600 Dollar pro Monat, wesentlich mehr als das Grundeinkommen, das du ja auch nur bekommst, wenn du fest angestellt bist. Die Stromkosten sind tatsächlich viel geringer als in Deutschland, aber das hilft am Ende dann auch nicht. Generell kann man sagen, dass die Mittelschicht sich durch Corona auch verringert hat, leider eher nach unten.


Wie sieht es mit der Politik in Ecuador aus? Wie funktioniert das politische System und funktioniert es überhaupt?

Offiziell haben wir eine Demokratie hier, aber bei manchen Sachen fragt man sich wirklich, was die noch mit Demokratie zu tun haben. Zum Beispiel sind die Ecuadorianer gezwungen, wählen zu gehen, das ist nicht freiwillig. Wenn du nicht wählst, musst du eine Strafe zahlen, außer du hast ein bestimmtes Attest, dass du z.B. im Krankenhaus oder im Ausland warst. Du bekommst dann einen Wahlnachweis und den musst du dann überall vorlegen, z.B. wenn du bei der Bank etwas machen willst oder wenn du einen Job willst. Egal wo du deinen Personalausweis brauchst, musst du auch den Wahlnachweis vorzeigen. Das hat meiner Meinung nach nicht viel mit Demokratie zu tun. Meistens gibt es auch eine zweite Wahlrunde, dann ist der erste Wahlschein auch nur ein paar Monate gültig. Ich als Ausländer bin nicht dazu gezwungen, ich bin aber vor einigen Jahren ins Wahlregister ausgenommen wurde, obwohl ich kein ecuadorianischer Staatsbürger bin. Aber wenn du eine bestimmte Zeit hierbleibst, bist du berechtigt zu wählen, ich muss dann aber den Wahlnachweis nicht vorzeigen.

Wir hatten jetzt über 10 Jahre eine extrem linke Regierung, die haben es jetzt aber nicht mehr geschafft und jetzt haben wir eine extrem rechte Regierung. Dieses Phänomen beobachtet man aber zurzeit in vielen südamerikanischen Ländern, die waren früher links und schwenken jetzt nach rechts um. Das größte Problem, das die Politik hat, ist aber die Korruption. Nicht nur in der Politik, auch im Justizwesen, etc.

Auf der Dorfversammlung, von der ich vorher erzählt habe, wurde auch die neue Abwasseranlage in Manglaralto besprochen. Dafür musste man das ganze Material, mit dem die Straßen aufgefüllt sind, herausholen und das haben die LKW-Fahrer und die Verantwortlichen, die da zuständig sind, einfach verkauft! Und das neue Material, mit dem man die Straßen jetzt wieder auffüllen soll, ist viel schlechter. Der Ingenieur hat das damit begründet, dass er von den 100% des Geldes, das für das Projekt vorgesehen war, nur 60% zur Verfügung, weil der Rest einfach bei den Politikern hängen bleibt! Genau deshalb machen z.B. die Bürgermeister oft solche Projekte, wie „neue Spielplätze“. Die halten dann ungefähr für ein Jahr, aber für die Politiker lohnt sich das, weil sie sich viel abzwacken können. So ist es wirklich überall, bei den Richtern, bei den Staatsanwälten, etc.


Was gibt es in Ecuador sonst noch für Probleme?

Was in letzter Zeit auch sehr zugenommen hat, ist die Drogenmafia. Bis jetzt hat Ecuador immer als Transitland gegolten, nach Europa oder nach Amerika, aber jetzt sind die ganzen Banden hier, v.a. die mexikanische. Es gibt inzwischen wirklich Auftragskiller hier. Hier in den Dörfern geht das noch, aber in der Stadt hört man da die ganze Zeit etwas. Teilweise kommen da dann auch Unschuldige um, die in gar nichts verwickelt waren.

Die Drogensituation ist auch schlimmer geworden. Teilweise sitzen da junge Menschen vor unserer Tür und ziehen sich was durch die Nase. Wir hatten hier schon 12/13-Jährige, die mit ihren Eltern zum Drogentest hier waren. Auch in der Schule war das mit den Drogen schlimm. Da standen dann irgendwann die Eltern vor der Tür und in den Pausen und haben versucht, das zu kontrollieren.


Versuchen wir mal in eine positivere Richtung zu gehen. Wie sieht es denn mit der Kultur in Ecuador aus? Gibt es besondere Feiertage?

Feiertage gibt es sehr viele, z.B. viele historische Feiertage, wie der „Unabhängigkeitstag von Cuenca“ oder der „Unabhängigkeitstag von Guayaquil“ und die feiert man dann im ganzen Land. Es ist gesetzlich geregelt, dass ein Feiertag, wenn er auf Donnerstag oder Mittwoch fällt, auf den Freitag verlegt wird, oder vom Dienstag auf den Montag, sodass es immer lange Wochenende gibt. Und wenn einer auf den Samstag oder Sonntag fällt, gibt es einen Tag frei extra. Lokale Feiertage gibt’s auch, wie den Tag der Provinz. Eine der wichtigsten Feiertage ist Allerseelen, der 2. November. Das gibt dann meistens ganz lange Wochenende, weil der 3. November auch frei ist, das ist nämlich der Unabhängigkeitstag von Cuenca. Der 2. November ist wirklich sehr wichtig, das ist der einzige Tag im Jahr, wo der Friedhof sauber ist. Es gibt ein traditionelles Getränk, das an dem Tag immer getrunken wird, das nennt sich „Colada morada“ mit verschiedenen gekochten Früchten und Gewürzen. Außerdem macht man an dem Tag Figuren aus Brot. Die Ecuadorianer nehmen dann das Essen auf die Gräber mit und essen das dann da. In vielen Dörfern gibt es riesige Esstische mit vielen verschiedenen, kleinen Gerichten. Dann kommen andere Familien vorbei und gucken sich das an, oft wird auch ein Teil des Essens verschenkt. Und wenn der ganze Trubel vorbei ist, rufen die Familien die Toten an den Tisch, für die ist extra mitgedeckt. Dann kriegt jeder der Toten auch sein Lieblingsessen.

Wenn jemand stirbt, wird der Tote oft zuhaue aufgebahrt. Dann wird die ganze Nacht und manchmal auch die nächste gebetet. Wenn man den Toten dann aber begräbt, wird das eine Woche weitergemacht, weil die Menschen glauben, dass die Seele des Toten noch eine Woche im Haus bleibt. In dieser Zeit darf man dann auch nicht kehren und sauber machen, denn ansonsten bedeutet das, dass man den Toten draußen haben will und dann stirbt bald wieder jemand, weil der Tote sich dann praktisch rächt. Wenn man aber wirklich sauber machen muss, muss es jemand machen, der nicht zur Familie gehört.

Ganz wichtig ist auch die Zeit der „Novene“ zu Weihnachten. Diese 9 Tage vor Weihnachten sind eigentlich wichtiger als der Weihnachtsgottesdienst. Da treffen sich dann mehrere Familien oder das ganze Dorf und es wird gesungen, gebetet, etc. Jeden Tag muss jemand anderes das Thema und Essen vorbereiten, das ist ganz wichtig.

Natürlich sind die Feiertage aber auch unterschiedlich von Region zu Region. Im Hochland wird z.B. der Frühlings- oder der Sommeranfang gefeiert, das ist eben eine andere Kultur. Generell wird aber einfach jeder Anlass ausgenutzt, um ein Fest zu feiern, sogar jetzt während der Pandemie.

Was auch wichtig ist, ist der 15. Geburtstag der Mädchen. Es heißt, ab 15 ist man sozusagen „gesellschaftsfähig. Selbst wenn die Eltern dann Schulden machen, ist es wichtig, den Geburtstag richtig zu feiern. Teilweise wird dann die Straße gesperrt, es wird ein riesiges Zelt aufgebaut und es werden bis zu 200 Leute eingeladen.


Wie ist deiner Meinung nach die Sichtweise der Ecuadorianer auf Europa und auf Deutschland?

Grundsätzlich denken die meisten, dass jeder Europäer, egal wo er herkommt, reich ist. Am Anfang war es wirklich oft so, dass Leute zu mir gekommen sind und gesagt haben: „Sie müssen mir helfen!“ Und dann musste ich ihnen immer sagen, dass ich zwar Geld zur Verfügung habe, dass wir das aber als Organisation kriegen und dass dieses Geld eben nur für bestimmte Zwecke eingesetzt werden kann. Ich verwalte dieses Geld ja nur.

Und was du als Deutscher immer so ein bisschen hören musst, ist eben: „Was sagst du zu Hitler? Was sagst du zur Nazi-Zeit?“ Also, ich habe da noch nichts persönlich zu spüren gekriegt, aber gefragt wird schon.

Wenn du natürlich mit den Eingeborenen aus dem Hochland redest, dann haben die nochmal eine ganz andere Meinung. Wegen der Besetzungszeit durch die Spanier denken die natürlich anders.


Kommen wir nun zur aktuellen Situation in Ecuador: Wie kommt Ecuador mit der aktuellen Coronalage klar und wie ist die Stimmung im Land?

Am Anfang, von März bis Mai, hatten wir einen kompletten Lockdown, da ist nicht mal ein Bus gefahren. Das war die schlimmste Zeit, da die Menschen teilweise nicht wussten, wovon sie leben sollten. Zum Glück haben verschiedene Organisationen dann mit Lebensmitteln ausgeholfen, es gab aber trotzdem extrem viele Tote. Dann hat es sich irgendwann wieder gelockert. Allgemein gehen die Leute mit der Situation einfach anders um, wir sind Extremsituationen gewöhnt, dass es z.B. irgendwo einen Streik, einen Tsunami, ein Erdbeben oder eine Schlammlawine gibt, sowas passiert ständig und man gewöhnt sich irgendwie auch dran. Seitdem verläuft das Leben eigentlich wieder komplett normal. Natürlich gibt es ein paar Einschränkungen, an die sich aber niemand hält.

Aber die Schulen waren zu. Die ganzen zwei Jahre lang! Im Oktober und November gab es zwar Unterricht in Teilpräsenz, der wurde dann aber auch wieder abgeschafft. Die Schulen werden jetzt erst langsam wieder aufgemacht und im März ist das Schuljahr zu Ende! Was erstaunlich war, ist, dass ab Mai extrem viel geimpft wurde. Da gab es eine neue Regierung und deren erstes Ziel war es, in den ersten 100 Tagen 9 Millionen Leute zu impfen. Das haben sie nicht ganz geschafft, aber da war wirklich was los. Man hat einfach alle Impfungen genommen, die man kriegen konnte, Amerika und Chile haben z.B. auch gespendet. Am Anfang hatte man auch nur Sinovac, das ist eine chinesische Impfung, und AstraSeneca. Manchmal gab es auch noch BionTec, aber sonst nur diese beiden Impfstoffe. Offiziell gibt es per Gesetz keine Impfpflicht, allerdings kommt man ohne Impfausweis eben nicht in den Busbahnhof, in staatliche Behörden oder in die Schule. Das ist ja im Prinzip genau das gleiche wie eine Impfpflicht und bei den Kindern finde ich das schon sehr heftig. Bei den Schulen ist es jetzt so, dass die Kinder nicht gehen müssen, wenn die Eltern nicht wollen, die Stunden werden dann aufgezeichnet und die Kinder müssen die dann zuhause angucken, was ich aber auch grenzwertig finde. Natürlich gibt es, wie in Deutschland auch, in jeder Region unterschiedliche Regelungen. Problem ist auch, dass viel zu wenig getestet wird. Ein Antigen-Test kostet zum Beispiel 25 Dollar und von der Regierung werden auch kaum welche bereitgestellt.

Aber wenn man hier durch die Dörfer geht, ist alles ganz normal. Wenn man keine Maske anziehen will, dann zieht man halt keine an.

Danke für die interessanten Antworten!



Katharina Steffel