Deutschland in der UN

22.02.2022

Die Ukraine sieht über 100.000 russische Soldaten vor der eigenen Haustür, Deutschland spendet 5000 Militärhelme. Diese Aktion wird von vielen als lächerlich wenig angesehen. Angesichts dessen fragt man sich vielleicht, ob Deutschland eigentlich ein hilfsbereites Land ist. Um der Antwort näher zu kommen, gibt dieser Artikel Auskunft über die Rolle Deutschlands in der UN.

Eine Organisation für den Weltfrieden

Kurz gesagt wurden die Vereinten Nationen (UN) nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um einen dritten zu verhindern. Als große Teile der Welt in Schutt und Asche lagen, bemerkte die Menschheit zum wiederholten Mal, dass es weitaus schönere Dinge gibt als Krieg. Das Ziel der UN war und ist also, den Weltfrieden zu wahren.
Die wichtigsten Organe der UN sind die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat, der Treuhandrat, der Internationale Gerichtshof und das Sekretariat, an dessen Spitze der Generalsekretär steht.
In der Generalversammlung sind alle 193 Mitglieder gleichberechtigt vertreten. Der Sicherheitsrat hingegen hat 15 Mitglieder, davon sind zehn nicht-ständig. Die fünf ständigen Mitglieder mit Veto-Recht sind China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA. Der Sicherheitsrat hat als mächtigstes Organ der einzigen Organisation mit universeller Akzeptanz eine große Verantwortung: Mit für alle Mitglieder bindenden Beschlüssen soll sich der Sicherheitsrat für die Wahrung des Weltfriedens einsetzen.

Zahlen, Daten, Fakten

Deutschland rühmt sich damit, einer der größten Geldgeber der UN zu sein. Jedes Mitgliedsland steuert einen gewissen Betrag bei, um die vielen Aktivitäten der UN zu finanzieren.
Neben einem regulären Haushalt gibt es noch andere Haushalte, die gesondert behandelt werden. Die Haushalte der Friedensmissionen, internationale Strafgerichtshöfe sowie Sonderorganisationen (z. B. UNICEF, UNESCO) und Einzelprogramme sind Beispiele dafür. Hier kann, auch auf freiwilliger Basis, deutlich mehr Geld eingezahlt werden als im regulären Haushalt.
So kommt es, dass Deutschland im Jahr 2020 mehr als 5,2 Milliarden Euro an das gesamte UN-System zahlte. Nach Aussage des Auswärtigen Amtes ist Deutschland damit der zweit-wichtigste Finanzierer der UN.

Außerdem gibt Deutschland nicht nur das Geld für Missionen, sondern beteiligt sich auch selbst bei einigen. In Mali, im Libanon und im Südsudan ist die Bundeswehr bei UN-Friedensmissionen beteiligt. Zusätzlich ist Deutschland auch noch durch andere personelle Beiträge (zum Beispiel Trainingsteams) bei weiteren Missionen involviert.

Deutschland auf der Weltbühne

Das ist ja noch nicht genug, oder? Anscheinend nicht. Der letzte große Auftritt Deutschlands in der UN war nämlich die deutsche Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat. In den Jahren 2019 und 2020 war Deutschland eines der nicht-ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat. Und aufgrund des Rotationssystems hatte übrigens auch Deutschland einen Monat lang die Präsidentschaft inne.
Während dieser zwei Jahre beschäftigte sich der Sicherheitsrat mit einer Vielzahl an Themen: So berichtet das Auswärtige Amt von Themen wie der Stabilisierung Libyens, humanitärer Hilfe in Syrien und der Demokratisierung des Sudan. Natürlich ist das nicht alles: Der Sicherheitsrat verabschiedete Dutzende Resolutionen zur Verlängerung von Friedensmissionen, Hilfsmissionen und Beschlüssen zum Vorgehen gegen menschenrechtsverletzende Vorfälle in aller Welt.


Außerdem hat Deutschland auch eigene Themen eingebracht: Beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt wurde unter deutschem Vorsitz eine Resolution verabschiedet. Diese soll dafür sorgen, den Schutz der Opfer stärker in den Fokus zu stellen sowie die Täter härter zur Rechenschaft zu ziehen.
Desweiteren hat Deutschland die Abrüstung wieder auf die Agenda des Sicherheitsrates gesetzt. Im Vorsitzmonat war die nukleare Abrüstung laut des Auswärtigen Amts ein Schwerpunktthema. So soll auch durch die Bemühungen Deutschlands eine Grundlage für zukünftige Fortschritte gesetzt worden sein.
Außerdem habe man das Thema des Klimaschutzes dauerhaft im Sicherheitsrat verankert. Durch die Einrichtung eines Expertengremiums soll die Dringlichkeit der Klimakrise künftig besseren Zugang zum Sicherheitsrat finden.

Friede, Freude, Eierkuchen?

Während dies alles nach einem glänzenden internationalen Auftritt Deutschlands klingt, muss man sich auch bewusst machen, dass Staaten und ihre Politiker letztendlich eben Interessen vertreten, ohne dass dahinter eine Motivation aus uneigennütziger Nächstenliebe stecken muss. Für das Kanzleramt hätte dieses Interesse eine ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sein können, ohne das deutsche Engagement schlecht reden zu wollen. Doch Ex-Außenminister Maas sagte damals: „Dass wir einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auch auf Dauer auszufüllen wissen, das haben wir in den letzten beiden Jahren bewiesen.“ Er erklärte es zum Ziel, ständiges Mitglied zu werden. Da war es natürlich passend, wenn Deutschland in der UN ein bisschen glänzen konnte.
Was die Harmonie aber noch mehr zerreißen dürfte, ist die Beobachtung, dass die deutsche Moral in der Außenpolitik dehnbar zu sein scheint. Während im Sicherheitsrat also über Weltfrieden geredet wird, brennt in Griechenland ein Flüchtlingslager. Generell ist die Situation dort auf Lesbos nicht gerade nachhaltig oder ein Indiz für Weltfrieden. Lesbos: Die Insel, auf der ein Flüchtlingslager hoffnungslos überfüllt war, weil man seit der Flüchtlingskrise 2015 keine bessere Lösung fand. Auch wenn hier fairerweise noch 27 andere europäische Länder eine Rolle spielten, ist das nur ein einziges Beispiel von vielen für die verzerrte Logik Deutschlands. Es geht nämlich wie folgt weiter: Zuerst als Klimaprophet bei der UN auftreten, aber daheim Gaspipelines bauen. Und das mit einem Land, indem Kritiker nicht bloß weggesperrt werden, sondern gleich mit Nervengift bekämpft. Danach schiebt man staatliche Subventionen in Auto-Konzerne, die ihre Gewinne auch mutmaßlich mit „effizienter“ Uiguren-Arbeitskraft in China generieren. Die Liste könnte noch erweitert werden.

Was kann man also zusammenfassend sagen? Einerseits ist Deutschland in der UN aktiv und erarbeitet sich zurecht ein positives Bild. Andererseits hat die Außenpolitik Deutschlands sichtbare moralische Risse, die den pazifistischen Glanz stark verkratzen. Geht es schlechter? Bestimmt. Aber Relativierungen wie diese sollten keine Entschuldigungen sein. Die Frage sollte eher sein, ob und wie es besser geht. Schließlich ist es möglich, dass beispielhafte Antworten darauf im Handeln kommender Bundesregierungen liegen.

Leonard Strohwald