Interview mit Leonie Hardegger, der ersten Schülersprecherin

16.11.2021

Schülersprecher:in
Schülersprecher:in

Johanna: Hallo Leonie,

du hast dich dieses Jahr zur Schülersprecherwahl aufstellen lassen und sogar gewonnen, genauso wie letztes Jahr. Dazu erstmal herzlichen Glückwunsch von der ganzen Redaktion.

Leonie: Dankeschön.

J: Jetzt bist du Schülersprecherin, doch die meisten kennen dich nur von deinen Wahlplakaten dieses und letzten Jahres. Deshalb erzähl uns doch mal etwas von dir.

Ich bin Leonie, ich bin 16 Jahre alt. Ich geh momentan in die 11b also in den bilingualen Zug. In meiner Freizeit mach ich Ropeskipping beim FC Staig. Ansonsten fahr ich im Winter total gerne Ski, deshalb hoffe ich auch, dass der Skitag dieses Jahr wieder stattfindet. Ich habe einen Hund, eine Katze und zwei kleine Brüder.

Schnellfragerunde

J: Jetzt wissen wir schon etwas mehr über dich, um dich aber noch besser kennenzulernen, werde ich dir jetzt einige Fragen stellen, die du bitte möglichst kurz beantwortest.

[ein Auszug]

J: Etwas, wovon du schon lange träumst, dich aber noch nicht getraut hast zu tun?

L: Fallschirmspringen.

J: Bist du lieber ehrlich oder freundlich zu Menschen?

L: Freundlich

J: Für welche Eigenschaft an dir hast du bisher die meisten Komplimente bekommen?

L: Hört sich vielleicht blöd an, aber mein Aussehen. Ansonsten meine Art, einfach, dass ich freundlich bin und so.

J: Wildcampen oder Luxushotel?

L: Campen, aber mit Wohnmobil.

J: Hast du ein Lebensmotto und wenn ja, welches?

L: Man soll die Dinge positiv sehen, egal wie schrecklich sie sind.

J: Für was hast du bisher am härtesten gearbeitet?

L: Für mein Zeugnis letztes Jahr.

J: Vielen Dank für die Antworten, das war es auch schon mit der Schnellfragerunde.

Du als Schülersprecherin

J: Du bist dieses Jahr Schülersprecherin geworden, und das nicht nur wegen deiner Art, sondern vor allem, weil du einige Ideen für die SMV und die Schule insgesamt hast.

Magst du uns einige davon vorstellen?

L: Letztes Jahr ging es mir vor allem um den Schulbäcker, weil es mich so gestört hat, dass der weg war.

Auch das Thema Fairtrade war mir besonders wichtig, seit ich mal eine GFS darüber halten musste. So habe ich mich das erste Mal mit dem Thema auseinandergesetzt. Eigentlich wollte ich zur Fairtradeschule werden, aber das braucht wegen Schule ohne Rassismus noch einige Zeit, sonst sieht es so aus, als wären wir eine Schule, die nur Auszeichnungen haben will. Also muss das Ganze noch einige Jahre warten. Die Realschule hat ja jetzt auch schon mit dem Automaten angefangen.

J: Ihr kamt ja gerade erst von der SMV Hütte zurück. Wurden dort schon einige deiner Ideen umgesetzt?

L: Das mit dem Bäcker haben wir auf jeden Fall bei Herr Meyer angesprochen und er meinte, dass der Bäcker zurückkommt, sobald die Coronalage entspannter ist als jetzt. […]

Und Fairtrade, wie gesagt, der Automat hängt ja schon bei der Realschule, also der ist nicht bei uns geplant.

Aber ansonsten die ganzen Aktionen wieder zurückbringen und pushen, damit alle wieder Bock draufhaben.

Schule ohne Rassismus- Ein Statement oder Verspottung der Leidtragenden?

J: Kommen wir nun zu einem Projekt, das du gerade schon angesprochen hast und welches besonders den Schülersprechern vor zwei Jahren wichtig war: Das Label „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“

Weil das Thema so wichtig ist, haben wir in der Redaktion darüber gesprochen, mussten aber feststellen, dass wir uns nicht einigen konnten, ob es sinnvoll und nötig oder ein völlig falscher Umgang mit den Themen Rassismus, aber vor allem auch (Cyber-)Mobbing ist.

Wie siehst du es? Ist das Label ein Schritt in die Richtung, diese Probleme zu erkennen und anzupacken, oder verspottet das Label die existierenden Probleme von Schülerinnen und Schülern?

L: Ich finde erstmal, dass es ein Statement ist. Wir zeigen, dass Rassismus in jederlei Hinsicht unakzeptabel ist. Ich finde, das ist in den letzten zwei Jahren ein bisschen untergegangen, deshalb denken die Leute, es ist nur eine Auszeichnung.

Aber es liegt vor allem an Corona, dass man die Workshops und Aufklärungsveranstaltungen nicht so anbieten konnte, wie sie eigentlich vorgesehen sind.

Das wollten wir dieses Jahr so weit wie möglich ändern, genauso wie den Aids Tag oder die LGBTQ+ Aufklärung. Vor allem weil unsere Schule recht multikulturell besucht ist. Es gibt überall Vorfälle. Es fängt ja teilweise in der fünften Klasse schon an. Es kommt auch immer vom Elternhaus, wie die aufklären Zuhause und so, deshalb müssen wir als Schule eben für diese Aufklärung sorgen, wenn diese noch nicht vorhanden ist, damit sich jeder wohl fühlt. […]

J: Du sprichst ja gerade an, dass sich jeder wohl fühlen soll.

Wenn nun aber eine Schülerin oder ein Schüler auf dem Nachhauseweg am Lehrerzimmer vorbeikommt, das Label sieht und zuhause aber direkt Cybermobbing zu spüren bekommt, kommt diese/r sich doch nicht mehr wirklich ernstgenommen vor.

Was sind deine Vorstellungen, wie dieses Abzeichen positiv auf solche Fälle wirken kann und die Situation nicht noch verschlimmert?

L: In der Schule muss man für Vielfalt stehen und in der Klasse und generell die Leute so akzeptieren, wie sie sind. Man muss einfach mehr über die Leute erfahren. Oft kommt ja Rassismus daher, dass man nicht weiß, woher sie sind, oder wie es dazu kam, dass die Leute jetzt hier sind. Manchmal muss man einfach mehr Backgroundinfo haben. […]

Es gibt einfach Leute, die sich integrieren wollen, ich glaube aber, ein Großteil des Rassismus kommt daher, dass sie sich nicht integrieren wollen. Und es gibt auch in der Schule Leute, die sich abschotten, vielleicht auch aus Angst und so etwas möchten wir mindern. […]

J: Jetzt sind wir schon etwas allgemeiner geworden, aber findest du, dass Rassismus und Mobbing an unserer Schule ein Problem sind? Und auch Lehrer damit nicht gut umgehen?

L: Bestimmt, das ist aber auch von der privaten Einstellung abhängig. Hier kann man auch wirklich nur mit Offenheit und Herzlichkeit entgegenwirken. […] Und das Mobbing gibt es leider an jeder Schule, da muss man einfach die Opfer bestärken, wenn man so etwas sieht. […] Und zu ihnen sagen, wenn irgendwas ist, komm zu mir her oder geh zu deinem Lehrer.

Und für die Lehrer gilt: Wenn sie so etwas sehen, müssen sie dazwischen gehen. Das kann man nicht nur klassenintern regeln, sondern muss auch direkt dazwischen gehen, wenn etwas ist. Cybermobbing ist an dieser Stelle aber wieder sehr schwierig, weil du nicht weißt, was zuhause dann los ist. […]

Da muss man dann auch auf die Eltern der Mobber zugehen, weil Kinder […] ihre Werte von zuhause mitbekommen. [..]

J: Kommen wir nun zu einem Thema, dass noch ein wenig dunkler ist, aber stark mit diesem Thema zusammenhängt und das vor Corona bei uns an der Schule sehr präsent war: Es geht um dieses Selbstmordvideo, das durch unsere Schülerschaft ging, bei dem sich ein Jugendlicher– etwa in unserem Alter – vom Ulmer Münster gestürzt hat.

Bei diesem Thema kann man sagen, dass es ein wichtiges und großes Thema an unserer Schule war: Fast jeder hat das Video über Sozial Media geschickt bekommen und gesehen. Es wurde bei WhatsApp, Insta und TickTock gepostet. Die Reaktion der Lehrer war geteilt: Während einige Lehrer ihre Schüler mit diesem Thema nicht mehr in Ruhe gelassen haben, haben die meisten Lehrer das Thema entweder vermieden oder überhaupt nicht einmal mitbekommen – es wurde einfach nie an sie herangetragen.

Findest du, dass unsere Lehrer und unsere Schule richtig mit der Situation umgegangen sind? Welche anderen Wege hättest du gesehen? Was hätte die SMV als Vertretung der Schülerschaft tun können, um das Thema für die Schüler richtig aufzuarbeiten?

L: Ich kann mal sagen, wie es bei uns in der Klasse war. Da habe unsere Lehrer mit uns geredet, Herr Fuchs war das und auch Frau Remboldt. Damals konnte jeder seine Gedanken teilen, wie es einem mit dem Video geht oder an sich mit dem, was passiert ist. So ein Gespräch finde ich wichtig. Aber man sollte die Schüler auf jeden Fall nicht damit erdrücken […], wie es einige Lehrer gemacht, und ihre Schüler mit dem Thema nicht in Ruhe gelassen haben. […]

Lehrer müssen die Ausstrahlung haben, wenn irgendetwas ist, du kannst zu mir kommen, du kannst mit mir reden. Lehrer, die das eben gerade vermeiden, die haben selber Angst vor einem Gespräch. Und das darf man eigentlich als erwachsene Person gar nicht zeigen: Selbst, wenn du Angst hast, musst du ja anderen Mut machen. Das ist auch gerade die Aufgabe von älteren Schülern Jüngeren gegenüber, weil das auch jüngere Schüler gesehen haben. Deswegen muss man da einfach sagen: Diese Person, die Selbstmord begangen hat, hat diese Entscheidung getroffen, aus welchem Grund auch immer – und die hat einfach auch die richtige Hilfe nicht bekommen.

Es gibt ja meistens Anzeichen, auf die muss man richtig reagieren. Es gibt ja das Sorgentelefon oder auch verschiedene Jugendtherapeuten. Und da ist es auch gar nicht schlimm, sich in Therapie zu begeben, wenn es einem nicht gut geht oder es ist einfach wichtig, darüber zu reden […]

J: Und was hätten die Lehrer bei uns an der Schule machen sollen? Du hast ja schon erwähnt, Herr Fuchs und verschiedene Psychologielehrer haben das ganz gut gemacht aber was hätten auch die anderen Lehrer besonders in den unteren Jahrgangsstufen machen sollen. Oder hätte vielleicht wirklich die SMV etwas von Schülern für Schüler organisieren müssen?

L: Also erstmal finde ich, dass es, wenn es so einen Vorfall gibt, in der Lehrerschaft intern besprochen werden muss, wie man damit umgeht. Wie man auf die Schüler zugeht und das anspricht und dann die Situation handhabt.

Wenn jeder macht, was er will, ist kein roter Faden dabei. Jeder Lehrer macht das, was er will. Die einen sprechen es gar nicht an, andere zu viel und manche machen es eben genau richtig. Und sich da einfach austauschen, damit die Schule einen Plan hat, wie man mit solchen Situationen umgeht.

So eine Situation ist ja für jeden Schüler unterschiedlich belastend und gerade in den jüngeren Klassen, wo sie es gar nicht so nachvollziehen können, wie es überhaupt dazu kommt. […]

J: Und wie ist es mit Schülerinnen und Schülern, die selbst psychische Probleme haben? Hätten die sich an ihre Lehrer wenden können bzw. ist dies bei uns generell möglich?

L: Also erstmal hätten sich diese an die Sozialarbeiterin wenden können.

J: Diese war ja zu der Zeit sehr ausgebucht.

L: Ja, […] vielleicht hätte man da so ein Portal umsetzen können, an das sich die Schüler hinwenden können, wenn es ihnen nicht gut geht. Denn oft ist gerade die Angst so etwas persönlich anzusprechen so der Schlüsselfaktor, warum es nicht angesprochen wird und wenn sowas anonym läuft, kann ich mir vorstellen, dass sich mehr Schüler an jemanden gewendet hätten.

Aber als Lehrer merkt man tendenziell öfter, wenn es irgendwelche Veränderungen im Verhalten gibt und dass die Lehrer dann vielleicht mal das Gespräch zu der Person suchen.

J: Wie es halt möglich ist, gerade während Corona haben sie ihre Schüler auch lange nicht gesehen.

L: Ja, das ist halt auch ein Problem, da muss man auch ein Rundschreiben an die Eltern schicken, dass die selber zuhause auch Aufklärungsarbeit leisten, weil man eben nicht abschätzen kann, wie sehr das den Jugendlichen mitgenommen hat. Es nimmt ja auch Erwachsene total mit.

J: Und jetzt noch eine letzte Frage zu diesem wirklich schwierigen Thema:

Findest du, dass Mobbing, Rassismus, Angst vor der Schule oder vor Lehrern die positiven Seiten und die Sicherheit der Schule überschatten? Oder ist das AEG ein Ort, der ein Stück Sicherheit bieten kann, gerade wenn es für die Jugendlichen zuhause nicht leicht ist?

L: Also ich glaube, Personen, die von Mobbing betroffen sind, die haben mehr Angst, zu Lehrern zu gehen oder sich Hilfe zu suchen, und da muss man auf jeden Fall noch eine Lösung finden.

Man muss auch immer dieses Lehrer- Schülerverhältnis betrachten. Es muss auf jedenfalls da sein, es muss eine Distanz da sein, aber auch genug Nähe, dass man sich anvertrauen kann. Das funktioniert vor allem bei jüngeren Lehrern mega gut. […] Es fällt einfach leichter, sich an diese Lehrer zu wenden. […]

Abschlussfragen

J: Wenn du einen Tag Schulleiter wärst, was würdest du machen?

L: Wenn gutes Wetter wäre, würde ich rausgehen, damit die Lehrer einen Spaziergang machen. Einfach mal abschalten können, weil der Druck im Schulalltag oft so groß ist […]

J: Beschreibe unsere Schule in drei Adjektiven

L: Das Äußere ist hässlich, das Innere ist offen, herzlich und gemeinschaftlich

J: Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern unbedingt sagen möchtest?

L: Lest die Schülerzeitung. Und wenn ihr Bock habt etwas mitzugestalten, kommt zur SMV. Dieses Jahr sind coole Events geplant – ich hoffe, sie können alle umgesetzt werden.

J: Vielen Dank für dein Interview!

Interview und Text von Johanna Hegele